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„EddA“ – der Weg zum Job für junge Alleinerziehende

In der Berufswelt Fuß fassen – für junge Mütter, Väter und Schwangere, die auf sich allein gestellt sind, eine besondere Herausforderung. In den südlichen Landkreisen Sachsen-Anhalts gibt das Projekt „EddA“ ihnen Starthilfe. Damit das Job-Coaching wirkt, braucht es auch die Motivation der Teilnehmenden und ein gutes Stück Disziplin. Die heute 19-jährige Julia Förster weiß das.

Als sie mit 14 Jahren schwanger wurde, hat das ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Damals war Julia Förster aus Bitterfeld-Wolfen in der 8. Klasse. Rückblickend sei diese Zeit und die Entscheidung, die sie damals gefällt hat, mehr oder weniger das Beste, was ihr passieren konnte.

In ihrer kleinen Zwei-Raum-Wohnung duftet es nach Kaffee. Julia Förster hat ihre Wohnung sparsam eingerichtet. In dem kleinen Flur hängen überall Baby- und Kinderbilder. Darauf zu sehen: Maddox, ihr Sohn, 4 Jahre alt. Julia Förster spricht sehr reflektiert über sich selbst in der Zeit, als sie schwanger wurde: „Ich war ein schwieriges Mädchen zu der Zeit. Ich habe immer wieder die Schule geschwänzt, war versetzungsgefährdet und bin mitunter tagelang nicht nach Hause gegangen.“

Damals lebt sie zusammen mit ihren gehörlosen Eltern und ihrem kleinen Bruder. Die Eltern brauchen selbst viel Hilfe. Julia, die die Gebärdensprache beherrscht, seit sie denken kann, übersetzt für ihre Eltern im Alltag.

Sie war ein halbes Jahr mit ihrem Freund zusammen, der damals 15 war, als sie merkte, dass sie ein Kind bekommt. Auch ihre Mutter erwartete zur gleichen Zeit noch ein Baby. Julia vertraut sich Eltern und Großeltern an. Die Familie steht hinter ihr, egal wie sie sich entscheiden würde. Adoption scheint eine Alternative, ein Abbruch eher nicht.

Julia und ihr Freund beschließen das Kind zu behalten. Sie sagt: „Ich habe viel hin und her überlegt, bis ich den Entschluss gefasst habe, das Kind soll bei mir bleiben“.

Kehrtwende mit 14 Jahren

Für Julia war dies so etwas wie eine Initialzündung. Sie hat ihr Leben um 180 Grad gedreht. Regelmäßig geht sie jetzt zur Schule, lernt, hat plötzlich gute Noten. Und das bleibt auch so, als sie kurz nach den Sommerferien zu Beginn der 9. Klasse ihren Sohn auf die Welt bringt. Knapp 3 Kilo, 48 Zentimeter, großes Glück.

Acht Wochen bleibt sie zu Hause. Ihre Klassenkameraden besuchen sie regelmäßig. Bringen ihr den Unterrichtsstoff und gehen auch mal mit Maddox spazieren, damit Julia eine Stunde schlafen oder lernen kann.

Ruhe hat sie zu dem Zeitpunkt keine mehr. Denn in der Wohnung sind ja noch ihr kleiner Bruder und ihre Schwester, gerade mal zwei Wochen älter als ihr Sohn.

Nach einem guten Jahr merkt Julia, dass sie den Alltag kaum noch bewältigen kann. Der Vater des Jungen hat sich zurückgezogen und spielt keine Rolle mehr in ihrem Leben. Sie sucht und findet Hilfe bei dem von der Europäischen Union geförderten Projekt „EddA – Erhöhung der Eingliederungschancen von Alleinerziehenden“, angesiedelt beim Bildungswerk der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt.

Ausgerechnet ihre ehemalige Lehrerin Karin Stöbe ist dort ihre Ansprechpartnerin.

Finanzielle Unterstützung gibt das Projekt nicht, aber jede Menge Hilfe in allen Bereichen des Lebens – die Suche nach einer passenden Lehrstelle, Bewerbungen und Anträge schreiben, Unterstützung bei der Wohnungssuche, Gespräche mit Ämtern und Ausbildern – und: ganz praktische und trotzdem sehr persönliche Hilfestellungen, die ihr die Eltern und Großeltern nicht geben können.

Ein seltenes Kompliment

So findet Julia nach ihrem Realschulabschluss einen Ausbildungsplatz zur Sozialassistentin. Noch während der Lehre findet sie auch mit Hilfe von Karin Stöbe ihre kleine Wohnung und damit ein wenig mehr Ruhe. Obwohl es schwer ist, schafft sie es ihren Alltag mit Maddox zu bewältigen.

Freunde sind ihr nicht geblieben, dafür hat sie keine Zeit. Ihre ehemaligen Mitschüler gehen andere Wege. Und wenn ihre Mitstreiter bei der Ausbildung abends feiern gehen, bleibt sie bei Maddox.

Julia Förster schließt ihre Ausbildung ab und hat sehr gute Referenzen in der Kindereinrichtung, in der sie ihre Praktika gemacht hat, bekommen. Immer an ihrer Seite: Karin Stöbe von EddA, die nun seit über zwei Jahren mindestens einmal in der Woche bei Julia vorbeischaut und sich erkundigt, ob alles gut läuft, an welchen Stellen Probleme auftreten könnten und dann auch handelt. Karin Stöbe sagt: „Ich muss Julia ein Kompliment machen – und ich mache ganz selten Komplimente –, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat und wie sie ihr Leben managt… Hut ab!“

„Bei den meisten Projektteilnehmern läuft es längst nicht so reibungslos wie bei Julia“, sagt die Pädagogin. „Die ganz strenge Selbstdisziplin, die so junge Alleinerziehende mitbringen müssen, um ihren Alltag zu strukturieren und zu meistern, haben viele noch nicht. Und wir können in Maßen helfen und beraten, aber nicht mehr“.

Auch Julia braucht nach den extrem anstrengenden Jahren als minderjährige Mutter, Schülerin und Azubi eine Pause. Für einen Urlaub war nie das Geld da. Selbst kleine Ausflüge in einen Freizeitpark oder ein Spaßbad kann sie an ihren Fingern abzählen.

Zusammen mit Karin Stöbe beschließt, sie nach der Ausbildung nicht gleich einen festen Job zu suchen. Julia braucht eine Auszeit. Sie meldet sich bei der Agentur für Arbeit und bekommt Hartz IV für sich und ihren Sohn. Das erste Mal in ihrem Leben hat sie Zeit für sich und ihr Kind.

Erst das Auto, dann der Traumberuf

Julia ist jetzt 19, Maddox vier. Über die letzten Jahre sagt sie: „Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn ich mein Kind etwas später bekommen hätte. Also Maddox ist mein Schatz, gar keine Frage. Aber wer weiß, wie und ob ich dann überhaupt die Schule abgeschlossen hätte. Darum ist es auch wieder gut, genauso wie es ist.“ Während des Redens strahlt sie.

Im April tritt Julia ihren ersten festen Job an – als Sozialassistentin in einem Kindergarten in Bitterfeld-Wolfen. Sie will dann auch ihre Fahrerlaubnis machen. Beantragt hat sie schon alles mit Karin Stöbe von EddA. Denn im Sommer beginnt Julia Förster mit einer weiteren Ausbildung. Jetzt zur Erzieherin in Dessau – ihr Traumberuf. Aber dazu braucht sie ein eigenes Auto, um Maddox morgens pünktlich in die Kita zu bringen. Doch solche Hürden machen Julia Förster keine Angst mehr. Sie weiß, dass sie alles schaffen kann.

EddA – Erhöhung der Eingliederungschancen von Alleinerziehenden

Das vom Bildungswerk der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt (BWSA) realisierte Projekt berät und unterstützt junge Alleinerziehende und Schwangere unter 27 Jahren dabei, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und Ausbildung, Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen.

EddA läuft noch bis Ende August 2018 und wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Sachsen-Anhalt gefördert. Das Projekt wird umgesetzt im südlichen Sachsen-Anhalt, d. h. in den Landkreisen Mansfeld-Südharz, Anhalt-Bitterfeld, Wittenberg, Saalekreis, Burgenlandkreis und Harzkreis sowie in Halle (Saale) und Dessau-Roßlau.

Mehr über das Projekt im Netz:
Projekt-Website der BWSA
Flyer zum Beratungsangebot

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