Altes Straßenbahndepot – neue Heimat für kreative Szene
Im Coworking Space sind Miet-Schreibtische und lebendiger Austausch unbedingt erwünscht
Die Idee kam ihm, als er im stillen Kämmerlein seine Foto- und Filmaufträge bearbeitete. Jan-Christoph Siewertsen-Elle ist Fotograf und Video-Editor. Als freier Cutter für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist er eigentlich ganz gut ausgebucht, trotzdem hat er das „Künstlerkartell - Coworking Space“ aufgebaut. Für ihn eine Investition in die Zukunft, für kreative Selbständige eine Arbeits- und Begegnungsstätte.
Der gelernte Erzieher aus Flensburg hat nach seiner Ausbildung zwei Jahre in Norwegen gelebt. Und dort nicht nur die Sprache gelernt, sondern seine Liebe zur Fotografie entdeckt. Das Handwerk hat er sich selbst beigebracht. Sein Talent war unverkennbar. Schnell kamen Aufträge.
„Ich arbeite immer am liebsten mit Menschen zusammen“, sagt Jan-Christoph Siewertsen-Elle.
„Aber wenn ich dann zum Beispiel eine Hochzeit fotografiert habe und es daran geht, die Fotos auszuwählen und nachzubearbeiten, dann sitze ich oft tagelang allein. Das hat mich immer gestört. Ich möchte mich mit anderen austauschen“.
Flexible Arbeitsplätze für alle
In der Hoffnung, dass es anderen ähnlich geht, begibt sich der 28-Jährige auf die Suche nach geeigneten Räumen. In Magdeburgs Norden, in einem ehemaligen Straßenbahndepot, wird er fündig. Monatelang hat er dort in Eigenregie seinen Coworking Space aufgebaut. Hat einen Fußboden aus Spanplatten verlegt, selbst Schreibtische getischlert und eine Heizung installiert.
12 Arbeitsplätze stehen jetzt zur Verfügung; Steckdosen, schnelles WLAN und Drucker gehören dazu. Im Unterschied zu anderen Anbietern in der Stadt vermietet er seine Schreibtische sogar tageweise. 11 Euro Miete kostet der Tag im Künstlerkartell.
Natürlich kann man das Angebot auch wochen- oder monatsweise nutzen – dann wird es günstiger. Für knapp 200 Euro hat man sozusagen sein eigenes Büro. Den Austausch mit anderen gibt es gratis obendrauf. „Außer dem eigenen Computer und den Unterlagen, die man vielleicht braucht, müssen die Leute, die hier arbeiten wollen, nichts mitbringen“, so der junge Unternehmer. „Getränke, Kaffee und Tee stehen auch bereit.“ Hinzu kommen abschließbare Schränke.
Studenten, die ihre Hausarbeit fertig schreiben wollen, oder Existenzgründer sind klassische Zielgruppen für das Künstlerkartell. Für Jan-Christoph sind irgendwie alle, die frei und selbstständig arbeiten, Kreative oder Künstler. Auch kleine Handwerksunternehmen könnten dort gut Schriftverkehr und Buchhaltung erledigen.
Menschen und Ideen zusammenbringen
Schon jetzt gibt es regelmäßig Veranstaltungen im Künstlerkartell. Jan-Christoph möchte seine Räume zu einer festen Instanz in Sachen Begegnung und Austausch machen. Seine Fotografen-Freunde aus Norwegen haben dort schon ihre Arbeit vorgestellt. Dabei ist alles ausgerichtet auf Gespräche und das Knüpfen von Kontakten.
Jan-Christoph weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig Netzwerke sind. Alle zwei Wochen montags gibt es bei ihm ein Durchstarter-Frühstück. Auch das eine Gelegenheit Menschen zusammenzubringen.
Einer seiner ersten Schreibtisch-Mieter ist Tony Hinze.
Tony ist zu Fuß vom Süden Norwegens bis zum Nordkap gelaufen – 2.800 Kilometer. Jetzt arbeitet er hier die Tour in einem Reisebericht mit ausgefallenen Fotos auf.
Als er bei einer Veranstaltung im Coworking Space darüber berichtete, kamen 40 Besucher. Einige davon werden ihn demnächst vielleicht bei seinen besonderen Reisen in den Norden begleiten. Er hat ein Ein-Mann-Reise-Unternehmen gegründet – seine Homebase ist das Künstlerkartell.
Nach Magdeburg ist Jan-Christoph vor zwei Jahren eigentlich wegen der Liebe gekommen. Seine norwegische Freundin hat hier studiert. Sie ist inzwischen wieder nach Hause gezogen. Jan-Christoph Siewertsen-Elle ist geblieben und hat Wurzeln geschlagen. Eine davon ist das Künstlerkartell - Coworking Space im Stadtteil Neustadt, das Kreativen in Magdeburg so etwas wie eine Heimat gibt.