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Chef sein in der eigenen Firma – das kann jeder?!

Für Handwerksmeister ist die Karriere vorprogrammiert

Eine klar strukturierte Aus- und Weiterbildung, sehr gute Chancen auf eine Firmenübernahme, volle Auftragsbücher. Und dennoch finden gerade die kleineren Handwerksfirmen im Land immer schwieriger einen Nachfolger. So wie Otto Bendler, Fleischermeister in dritter Generation, der jetzt bereits bundesweit sucht.

Für Otto Bendler gab es nur einen einzigen Berufswunsch: Er wollte Fleischer werden. Das waren schon sein Großvater, genannt „Otto der Erste“, und sein Vater „Otto der Zweite“. Er sei jetzt also „Otto der Dritte“ und natürlich Fleischer – mit eigenem Betrieb in Schwanebeck. Für ihn der schönste Beruf der Welt. Der Weg dorthin war durchaus steinig, doch das Unternehmen läuft gut. Jetzt aber sucht der 65-Jährige einen Nachfolger. Seit Jahren erfolglos.

1924 gründete sein Großvater die Fleischerei Bendler in Hötensleben. 1935 zog die Familie ins rund 20 Kilometer entfernte Schwanebeck, das heute an der Kreisgrenze zwischen Harz und Börde liegt. Seitdem haben sich die Bendlers als Fleischer einen Namen in der Region gemacht.

Immer schon setzen sie auf regionale Spezialitäten wie Sülzen, Leberwurst, Rotwurst und vor allem auf Pottsuse, ein deftiger Brotaufstrich, der für die Magdeburger Börde und das Harzer Umland typisch ist.

Schon als Kind fuhr Otto III. Bendler mit seinem Vater zum Schlachten, ist sozusagen in der Fleischerei groß geworden. „Ich hab‘s von meinem Vater gelernt, der von seinem Vater und ich gebe mein Wissen an meinen Sohn weiter.“ Sein Sohn Christian, der mit Zweitnamen – natürlich – Otto heißt, arbeitet mit im Betrieb. Allerdings hat er nicht vor, seinen Meister zu machen und die Firma zu übernehmen. Das ist ein Problem. Nicht nur für den Fleischermeister aus Schwanebeck.

Prämien für den Nachwuchs

Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, sieht diese Entwicklung voller Sorge. Denn die Zahl der Jungmeister nimmt in den letzten Jahren stetig ab. Konnte die Kammer 2014 noch 221 jungen Menschen zum Meistertitel gratulieren, waren es 2017 nur noch 140. Dabei ist das Handwerk gefragt, die Auftragsbücher sind voll.

„Nirgends ist der Karriereweg so klar strukturiert wie im Handwerk“, erklärt Grupe. „Erst ist man Lehrling, dann macht man seinen Meister und danach kann man sein eigenes Unternehmen gründen. Das kann jeder. Hinzu kommt die Zufriedenheit, etwas geschaffen zu haben.“

Er nennt ein Beispiel: „Der Friseur schneidet nicht nur die Haare, sondern rettet das nächste Date und der KFZ-Mechaniker lässt die Herzen von Autofans höher schlagen. Außerdem sind das ganz sichere Arbeitsplätze. Es gibt keine arbeitslosen Handwerker.“

Um diesen Abwärtstrend des Handwerks zu stoppen, gibt es seit einem Jahr die sogenannte Meistergründungsprämie: Das Land zahlt 10.000 Euro Starthilfe für Existenzgründer im Handwerk, die ohne große bürokratische Hürden ausgereicht werden.

Als Gegenleistung müssen sich die frisch gebackenen Meisterbetriebe verpflichten, mindestens drei Jahre am Markt zu bleiben und in ihr Unternehmen 15.000 Euro zu investieren. Da reiche schon ein Autokauf, so Burghard Grupe. 80 Firmen hätten diese Prämie schon in Anspruch genommen.

Ab dem kommenden Jahr soll die Meistergründungsprämie aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gespeist werden.

Früh an später denken

Und auch für Fälle wie den von Otto Bendler, der händeringend einen Nachfolger sucht, gibt es Hilfe aus der Handwerkskammer. Zum einen stellt die Kammer kostenfrei Betriebsberater, die eine Betriebswertermittlung durchführen. Außerdem gibt es Betriebsbörsen, die Interessenten mit den Firmeninhabern zusammenführen. Nur leider würden momentan oft die Interessenten fehlen, erzählt Hauptgeschäftsführer Grupe. „Man muss frühzeitig die Frage des Nachwuchses klären, möglichst Jahre vorher, auch wenn das Thema noch weit weg scheint.“

Otto Bendler war immer weitsichtig. Schon vor fünf Jahren hat der Fleischer in dritter Generation angefangen einen Nachfolger zu suchen. Als Obermeister der Fleischerinnung in der Börde pflegt er ein großes Netzwerk in der Branche. Leider kann er den Negativtrend des Handwerks nur bestätigen: „Die Fleischermeister hier in der Umgebung haben alle so ungefähr vor 30 Jahren angefangen. Jetzt kommen sie langsam ins Rentenalter und die Kinder wollen den Betrieb meist nicht übernehmen“, so Bendler.

Der Arbeitsaufwand und die bürokratischen Hürden seien hoch. Sein Sohn Christian beginnt um 3.30 Uhr mit seiner Arbeit. Er selbst fange eine Stunde später an, bleibe aber meist bis 19 Uhr. Nach der eigentlichen Arbeit, der Produktion, kämen die Abrechnung und Organisation von allen möglichen Dienstleistungen dazu. „Ich habe meine Arbeit immer gern gemacht, aber meine Tage hier sind gezählt“, sagt Otto Bendler.

Auch seine Frau arbeitet mit im Unternehmen. Sie leitet eine von drei Filialen und hat auch schon fast das Rentenalter erreicht. Neue Mitarbeiter zu finden sei ebenfalls schwierig. Eine Filiale in Halberstadt schließe die Fleischerei Bendler aus diesem Grund zum Jahresende.

Neun Jahre Ringen um die Selbständigkeit

Schon sein Vater musste lernen mit Problemen umzugehen. 1959 wechselte „Otto II.“ mit seinem Fleischerbetrieb in eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks – kurz PGH. Damit war er nicht mehr selbstständig. Zu DDR-Zeiten ein erwünschtes Prozedere. Umso mutiger war es dann von seinem Sohn Otto III., dass er bereits 1977 um eine Gewerbegenehmigung kämpfte.

Neun Jahre dauerte das Ringen – erst 1986 war er selbstständig, hatte seine Gewerbegenehmigung. Otto Bendler absolvierte nach der Ausbildung ein Studium zum Ingenieur für Fleischwirtschaft, das wurde ihm als Meisterbrief anerkannt – die Voraussetzung einen Betrieb zu gründen und auch selbst Lehrlinge auszubilden.

Mindestens 35 Auszubildende hat er seitdem zum Fleischer gemacht. Vor 17 Jahren investierte er groß in eine neue Fleischerei: 900 Quadratmeter Produktionsfläche mit eigenem Laden, alles hochmodern. Mitunter beschäftigte Otto Bendler 20 Mitarbeiter und hat hunderte von Mittagsmenüs für „Essen auf Rädern“ gekocht und ausgeliefert. Jetzt sind es noch neun Angestellte.

Sein Traum war es, die Schweine vom Bauern um die Ecke zu kaufen und so wie seine Vorfahren selbst zu schlachten. Aber das kann und will er sich schon seit Jahren nicht mehr leisten.

Für kleine Betriebe ist das zu aufwendig, die Auflagen sind hoch. Jahrelang waren die Rezepte für seine Wurstsorten ein gut gehütetes Familiengeheimnis. Nun müsse alles haarklein dokumentiert werden. „Manchmal“, sagt er schmunzelnd, „wird noch ein bisschen von Hand dazugewürzt“. Seine Kunden wissen das zu schätzen. In keinem Supermarkt oder Discounter kann man solche Produkte kaufen.

Diese Erfahrung und Tradition möchte Otto Bendler bewahren – und hofft, dass sich bei seiner jetzt bundesweiten Suche doch noch ein Nachfolger findet.