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Die Zukunft der Arbeit auf dem Land

In Salzwedel wurde 2021 mit dem "Haus5" der erste Co-Working-Space in der westlichen Altmark ins Leben gerufen.

In Salzwedel gibt es seit 2021 einen Co-Working-Space. Das „haus5“ ist der erste in der westlichen Altmark. Der „Kreativort im Grünen“ muss wachsen, doch feststeht: Co-Working setzt wichtige Impulse für die wirtschaftliche Belebung strukturschwacher Regionen. Über eine Kultur des Miteinander-Arbeitens, die über die bloße Teilung von Büroinfrastruktur hinausgeht.

Die Ausgangssituation

Im Juni 2021 beschließt der Altmarkkreis Salzwedel ein Strategiepapier, in dem digitale Zielstellungen festgeschrieben sind. Eines der vier Handlungsfelder innerhalb dieser „Digitalen Agenda“ ist die digitale Wirtschaftsförderung, zu der auch die Einrichtung eines Co-Working-Space in der altmärkischen Hansestadt zählt. Der Entscheidung, erstmals einen solchen Platz für kollaboratives Arbeiten in der westlichen Altmark aus der Taufe zu heben, geht im Frühjahr 2020 eine Online-Bürgerbefragung voraus. Dabei wird deutlich, dass ein Teil der Befragten einem Co-Working-Space viel Gutes abgewinnen kann und ihn sogar nutzen würde. Der dünn besiedelte Landkreis, der bereits mit einer zertifizierten Existenzgründungsberatung aufwarten kann, richtet daraufhin das „haus5“ in einer kreiseigenen Liegenschaft nahe dem Bahnhof ein. Zentral gelegen, sehr gut erreichbar und absolut vorzeigbar. „Wir reagieren damit gezielt auf Veränderungen in der Arbeitswelt aufgrund fortschreitender Digitalisierung und Technisierung“, bekräftigt Landrat Michael Ziche. Konkret sei das vor allem die Arbeitswelt von Existenzgründerinnen und Existenzgründern, Soloselbstständigen, Freiberuflern und Startups. Aber auch Angestellte, Touristen und Durchreisende gehören klar zur Zielgruppe, denn auch sie benötigen unter Umständen einen vorübergehenden Platz zum Arbeiten und einen Ort, an dem sie sich interdisziplinär austauschen können. Am 15. September 2021 wird das „haus5“ als Angebot für flexibles Arbeiten in Salzwedel eröffnet. „Einen solchen Ort für die Kultur des Miteinanders vorzuhalten, bedeutet gezielte Wirtschaftsförderung und eine Steigerung der Qualität des Wohn- und Wirtschaftsstandorts“, führt der Landrat aus. „Immerhin sind wir ein Landkreis, in dem die Arbeitswelt sehr mobil ist. Jeder, der hier arbeitet, tut uns gut.“ Für die Bundesagentur für Arbeit ist der Altmarkkreis Salzwedel ein „Landkreis in Bewegung“. 2021 pendeln demnach knapp 13 700 Menschen täglich aus, aber nicht einmal 6000 pendeln ein.

Stichwort: Co-Working

Co-Working-Plätze kamen etwa Mitte der Nullerjahre groß in Mode. Zunächst in pulsierenden Großstädten als Ort hippen Arbeitens etabliert, sind sie mittlerweile auch in ländlichen Regionen angekommen. Die Plattform Coworking Resources schätzt die Zahl der Co-Working- Spaces in Deutschland auf etwa 850 – und es werden immer mehr. Die Möglichkeit, eine gewisse Büroinfrastruktur zu teilen, sich auszutauschen und zu vernetzen, bedeutet Inspiration. Wer sein gewohntes Arbeitsumfeld oder sein Homeoffice regelmäßig verlässt und mit Laptop & Co. in den Co-Working-Space zieht, arbeitet außerdem effizienter, sagen Experten.

Co-Working-Spaces in ländlichen Regionen

Die Bertelsmann Stiftung sieht im Co- Working auf dem Land eine Chance für strukturschwache Regionen. In einer aus dem Jahr 2020 stammenden Trendstudie kommt die Stiftung zu dem Schluss, dass die neue Arbeitsform wichtige Impulse für die Wirtschaft geben kann. Die Zielgruppe sei breit und die Integrationskraft groß, heißt es. Co-Working-Angebote versprechen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Wohnortwunsch, denn immer mehr Menschen bevorzugen das ruhige und preiswertere Landleben.

So wie Simon Scheper. Der gebürtige Bayer ist Jahrgang 1989 und ist als Doktor der Umweltwissenschaften auf die Bereiche Forschung, Beratung und Lehre spezialisiert. Seit Juni 2020 ist er Freiberufler. Weil seine Frau aus der Altmark stammt, hat er sein Umweltbüro in Eickhorst bei Dähre eingerichtet, einem winzigen Dorf mit gut 50 Seelen. „Für meine Online-Dozententätigkeit bevorzuge ich weiterhin meinen häuslichen Arbeitsplatz und die dortige Technik, aber Forschungsarbeiten kann ich auch gut im ‚haus5‘ erledigen“, sagt der Familienvater. Er schätzt die Abgrenzung vom Privaten und die Möglichkeit, Kundentermine nicht am Küchentisch abwickeln zu müssen. „Der Besprechungsraum bietet alles, was für professionelle Kundengespräche notwendig ist.“

Das „HAUS 5“

Der Co-Working-Space „haus5“ ist Teil des Projekts „Kreativorte im Grünen“ in Sachsen-Anhalt. Die Initiative soll die Chancen der Digitalisierung im ländlichen Raum nutzen und Potenziale aufzeigen. Die Altmark ist Pilotregion. Das „haus5“ in Salzwedel bietet zeitlich flexible Schreibtischarbeitsplätze in zwei großzügigen Büros. Zudem gibt es einen Besprechungs- und Gemeinschaftsraum. Schnelle Internetanschlüsse, Whiteboard, Beamer, Drucker und Kopierer sind vorhanden, den eigenen Laptop bringen die Nutzerinnen und Nutzer mit.

In die Ausstattung der Räume sind 11 800 Euro geflossen, davon 9000 Euro aus der Landeskasse. Die Förderung konnte als Maßnahme des „Regionalen Digitalisierungszentrums Altmarkkreis Salzwedel“ realisiert werden. Im „haus5“ kann zwischen 6 und 21 Uhr gearbeitet werden. Ein Arbeitstag kostet 15, eine Woche 50 und ein ganzer Monat 150 Euro. Volker Lahmann ist Existenzgründungsberater des Landkreises und für die Buchungen zuständig. Noch geben sich die Nutzerinnen und Nutzer nicht permanent die Klinke in die Hand, aber es spricht sich immer mehr herum, sagt er. „Das Projekt ist zeitlich nicht begrenzt und kann sich entwickeln. Die klassische Saure-Gurken-Zeit wird es aber immer geben.“

Ein Ort fürs Brainstormen

Wie Umweltwissenschaftler Simon Scheper sind auch Bettina Hüls und Tanja Klose auf dem Weg in die Selbstständigkeit von Volker Lahmann begleitet worden. Die Entstehung des Co-Working-Space „haus5“ haben sie hautnah mitbekommen und begrüßen das Angebot sehr, das mit seiner „Attraktivität im Kleinen“ punktet. Bettina Hüls ist Jahrgang 1971 und stammt aus dem Münsterland. Im Juli 2021 ist sie von Köln nach Arendsee umgezogen und hat dort mit ihrem aus Gardelegen stammenden Partner den Campingplatz „Im grünen Elsebusch“ eröffnet. Inzwischen sitzt sie so manches Mal mit der Betriebswirtin, Grafik-Designerin und digitalen Bildkünstlerin Tanja Klose zusammen, die 1983 in Stendal geboren ist und ihrer altmärkischen Heimat zwischen 2003 und 2019 den Rücken gekehrt hat. Jetzt ist sie in Salzwedel sesshaft geworden. Mit vereinten Kreativkräften verpassen die beiden Frauen dem Campingplatz die nötigen Marketinginstrumente wie Logo und Flyer und rühren die Werbetrommel. „Wir kannten uns vorher nicht und haben durch die Existenzgründerkurse zusammengefunden“, erzählen sie. Das „haus5“ sei ein guter Ort fürs Brainstormen. Für Volker Lahmann stehen Simon Scheper, Bettina Hüls und Tanja Klose für die drei zentralen Themen der Altmark-Region: Umwelt, Tourismus und Kreativwirtschaft.

Breitband für die Altmark

Unter dem Dach des ZweckverbandesBreitband Altmark wird seit 2012 das flächenmäßig größte Breitbandförderprojekt Deutschlands umgesetzt. Die Region wird mit einer zukunftssicheren Glasfaserstruktur ausgestattet. Für Simon Scheper war schnelles Internet sehr wichtig, weil er mit internationalen Kundinnen und Kunden regelmäßig kommunizieren und Daten austauschen muss.

„Bereits vor dem Umzug im Juni 2018 nach Eickhorst war klar, dass der Breitbandausbau kommen würde und ich meine Arbeit machen kann“, sagt der Dozent. Der Zweckverband verfolgt die Strategie, die insbesondere dezentral gelegenen und unterversorgten Orte der 4700 Quadratkilometer großen Altmark mit einem zukunftsfähigen und flächendeckenden Glasfasernetz zu erschließen. Vom Bund werden dafür insgesamt rund 110 Millionen Euro bereitgestellt, vom Land kommen etwa 24,8 Millionen Euro. Die Förderung aus beiden Fördertöpfen erfolgt im Abrufverfahren.

Weiterführende Links:

https://kreativorte-im-gruenen.de/orte/coworking-space-haus5/

Quelle:

MAGAZIN No. 4, S. 26

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